Beiträge zur Verfassung einer Heimatkunde
von Pixendorf

Gesammelt von Schulleiter Josef Fischer

1894

Sitten, Gebräuche und Sagen

ÖKR. Friedrich Rienößl


Danksagung:

Herr ÖKR Friedrich Rienößl hat die Ereignisse, die der damalige Schulleiter von Pixendorf, Herr Josef Fischer im Jahre 1894 zusammengetragen hatte, für uns aus der Kurrentschrift in unsere Schreibschrift niedergeschrieben.
ÖKR Friedrich Rienößl
1992

Der Wortlaut und die Ausdrücke der damaligen Zeit sind originalgetreu wiedergegeben worden.
Walter Bisak
2010

Inhaltsverzeichnis:

Boden, Gewässer und Klima
Brauhaus
Dorfleben und Bewohner
Gemeinde
Industrie, Handel und Verkehr
Jahreszahlen und Ereignisse
Kapelle
Schloß und Herrschaft
Schule
Sitten, Gebräuche und Sagen

Sitten und Gebräuche

Aus der Gemeinderechnung erhellt, daß die am Faschingsmontag welche Tage stets die Rechnung gelegt wurde, heute noch übliche „Bretzenverteilung“ schon vor mehr als 100 Jahren bestand.

Schon in der Rechnung 1749 heißt es: „Auf Prößlausgeben“ 31 kr. in der Rechnung 1769: „Mer für die Weiber Brot“ 31 kr. 1759 „vor die Weiber die Pröbts 31 kr".

Heute noch werden die Bretzen von den Männern ihrer Frauen nach Hause getragen und auch eine Verteilung an die Kinder vorgenommen.

Im Fasching erhielt nach diesen Rechnungen auch die ganze Gemeinde einen „Fasching Trunk“, während der Richter und die Geschworenen einen Separattrunk hatten. So heißt es 1749: „Mer haben die Richter und Geschworenen in den Fasching verzähr“ 45 kr. „Mer hat die Gemein verzähr in den Fasching Trunk“ 2 fl. 32 kr. 2 pf.

Ebenso in den weiteren Rechnungen. Auch dieser Gebrauch hat sich bis heute erhalten, da seit diesen Zeiten die Gemeinderechnungen, wie schon gesagt, stets am Faschingsmontage abgehalten wurden und sich hiebei nach uralter Gepflogenheit sämtliche Gemeindemitglieder einzufinden pflegen.

Ist in der Gemeinde eine wichtigere Angelegenheit durchzuführen, werden sämtliche Besitzer, die zur Gemeinde gehören, berufen um darüber zu beraten. Es wird „Gmoan geholten“ (Gemeinde gehalten), wie vor altersgrauer Zeit nach alter Väter Sitte.

Ein anderer wurde am Kirchamontag (mehr nach Schutzengel) geübt. Es war der Tag der „Beratoading“ – der Bergthaiding – in Gegenden ohne Weinbau „Banntaiding“ genannt, das unter dem Banne stehende Taidding, wo mit „Bann“ die Verpflichtung aller zugehörigen Personen zum Erscheinen beim Taiding und zum Ausharren bis ans Ende desselben angedeutet erscheint.

Es war schon zur Zeit des ungeschriebenen Rechtes die Weisung desselben in offener Gemeindeversammlung: Die Frage von Punkt zu Punkt, was Rechtens Mittel, zur Fortpflanzung der Rechtskenntnis gewesen. Erst mit dem 13. Jahrhundert hebt die schriftliche Aufzeichnung des also gewesenen Rechtes an.

An diesem Tage kam der Verwalter der Herrschaft Judenau in das „Gerichtshaus zu Pixendorf“ und mußten dasselbst alle diejenigen erscheinen, die auf dem Berge zur Herrschaft zinsenpflichtigen Grund besaßen, wobei nicht nur der Zins entrichtet, sondern auch verschiedenen Gaben an Früchten gebracht wurden und wer diesem „Troading“ fern blieb, mußte 30 kr. „Wandel“ zahlen.

Dieser Gebrauch hat selbstverständlich mit der Aufhebung der Zinspflicht sein Ende erreicht.

Selten geübt wird heute noch der „Tenndlpass“ und wenn ja, ist diese Feier heute nur noch ein verblaßtes Bild des alten Festes. Die Frauen und Mädchen hatten im Winter über in der warmen Stube fleißig gesponnen, während der männliche Teil in der kalten Scheune die schwere Arbeit des Dreschens verrichten mußte.

War nun diese Arbeit beendet, was gewöhlich im Fasching geschah, so setzte die Frau des Hauses, unterstützt von ihrem weiblichen Personale, eine Ehre darein, die Drescher auf das festlichste zu bewirten.

Da wurde nun tüchtig aufgekocht und gebraten und die „Karpfen“ durften an diesem Tage nicht fehlen, wie auch der Keller nicht geschont wurde. Damit auch das weibliche Geschlecht seinen Teil abbekam, war Musik bestellt, und es wurde, nachdem man den aufgetischten Speisen und dem Weine wacker zugesprochen, der tüchtigen Hausfrau alle Ehre erwiesen.

Zu den lustigen Weisen der Reigen begonnen, zu dem sich auch noch Freunde und Freundinnen, besonders aber das junge Volk eingefunden, und gar oft gemahnte die Morgenglocke dem lustigen Treiben, dem wirbelnden Tanze ein Ende zu machen – feierte doch der Nachbar morgen oder übermorgen seinen „Tenndlpass“, dem man ja doch auch anwohnen mußte.

Ein leider sehr selten gewordener Gebrauch ist der „Handschlag“.
Wenn er heute noch üblich ist, so ist er doch nur zur „reinen Förmlichkeit herabgesunken, ohne inneren Gehalt und Wert“.War das doch einst anders. Da gab es keinen Advokaten, keinen Notar, der langatmigen, punktreichen Vertrag aufzusetzen hatte um irgend ein Geschäft abzuschließen.

Da galt noch der Handschlag als heiliges Versprechen unverbrüderlicher Treue. Auf Treu und Glauben, besiegelt mit dem Handschlag wurden Vermögen anvertraut und gewissenhaft zurückgegeben, wurden die wichtigsten Angelegenheiten erledigt und niemand fiel es ein, sein durch Handschlag besiegeltes Wort zu brechen.

Hatte sich jemand mittels Handschlag zu irgend einer Handlung verpflichtet, so konnte man sicher sein, daß er dieselbe auch vollführte und wäre ihm selbst auch Nachteil daraus erwachsen. Der Handschlag hatte die Heiligkeit des Eides und vertrat vielfach die Stelle desselben. Vereingten sich mehrere Personen zu gemeinsamer Handlung, war es der Handschlag, der sie verband, war ein Geschäft zu erledigen, war es der Handschlag, der es zum Abschluße brachte.

Trennten sich zwei Freunde, so war es wieder der Handschlag, der das Gelöbnis ausdrückte, stetig treue Freundschaft zu bewahren und vergaß ja einmal einer im Drange der Geschäfte in der wehmutigen Stimmung in der die Trennung versetzt, den Handschlag zu geben, so wurde er sicherlich von seinem Freunde daran gemahnt.

 

Das „Sonnwendfeuer“ – Johannisfeuer – ist wohl heute noch im Gebrauche, doch ist es heute nur noch die erwachsene Jugend, die mehr der Unterhaltung halber diese Feuer abbrennen, ohne von dem Wesen desselben einen eigentlichen Begriff zu haben.

Im Frühjahr, bevor das Vieh auf die Weide getrieben wurde, zogen die Viehhirten von mehreren Orten vereint, durch das Dorf und bliesen ihre lustigen Weisen. Dieser feierliche Aufzug wohl noch ein Überbleibsel des heidnischen Kultus, entsprungen dem Naturleben, kommt seit Zunahme der Stallfütterung allmählich in Abnahme.

Sagen

„Da Buabnstoan“

Das Tullnerfeld ist eine prächtige fruchtbare Ebene, in deren Mitte eine Mulde liegt, die häufig bei Überschwemmungen durch die Tulln und die Perschling ausgesetzt war. Dort befindet sich zwischen Langenrohr – Rust – Neusiedl – Pixendorf augedehntes Wiesenland, das mit saftigen Grün und die unzähligen und manigfaltigen Blumen mit denen es übersät ist das Auge ergötzt.

Zahlloses Getier hat dort seine Wohnung aufgeschlagen, Sumpf- und andere Vögel finden dasselbst eine geeignete Brutstätte und auch Herr Lampe fehlt nicht dem so hohen Gras ein willkommenes Versteck bietet.

Nicht weit von der Gemarkung Pixendorf´s entfernt liegt im Ruster Gebiete, ein kaum meterhoher Hügel, der einst viel höher war und ein grauenvolles Geheimnis birgt.

Vor vielen, vielen Jahren trieben sich dort eines Tages einige Jungen herum, die in ihrem Übermute allerlei Schelmereien und Unfug trieben und verübten. Da rief einer, der am tollsten trieb, indem er eine dicke Schnur aus seinem Wamse zog. „Wißt ihre was wir jetzt tun wollen?“. Wir wollen das Aufhängen probieren. Ihr hängt mich mit dieser Schnur an einem Weidenast, aber wenn ich schreie, müßt ihr mich loslassen.

Ein Halloh antwortete ihm und straks ging es zum nächsten Weidenbaum, deren viele damals auf der Wiesen standen. Dort angekommen, stieg einer auf den Baum, die Schnur zu befestigen und nachdem dies geschehen war, hoben die Burschen ihren Anführer empor und legten ihm die Schnur in Form einer Schlinge um den Hals. In diesem Augenblick kam ein Hase auf drei Füßen dahergehumpelt, hüpfte vor den Knaben hin, als wollte er ihrem Treiben zusehen. Kaum hatten ihn diese erblickt so wurde Jagd auf ihn gemacht und der Aufgehängte ganz vergessen.

Aber je mehr die Knaben liefen, desto schneller war der Hase und wenn sie glaubten, ihn bereits nahe genug zu sein um ihn zu fangen, war er mit einem Satze ihnen wieder entschlüpft. So daß sie ihn trotz seinen drei Füße nicht erreichen konnten bis er ihren Augen entschwand.

Dieser Hase aber war niemand geringerer als der leibhaftige Gottseibeiuns, der Teufel, der in Gestalt des Hasen die Knaben sich lockte. Nach seinem Verschwinden erinnerten sich diese an ihrem Kameraden und kehrten schleunigst zu ihm zurück. Als sie aber dort ankamen, bot sich ihnen ein gräulicher Anblick dar. Mit schrecklich verzehrtem Gesichte, weit offenen verglasten Augen und lang aufgestreckter Zunge glotzte sie der Gehängte an, der, obwohl sie ihn sogleich herabnahmen, nimmer zum Leben zurückkehren wollte, denn er war bereits tot und der Teufel hatte seinen Zweck erreicht, einen Menschen mehr seinem unterirdischen Reiche zugeführt zu haben.

Todesangst bemächtigte sich der Knaben und Stille kehrte sich in ihre väterlichen Hütten zurück. Die Tat blieb aber nicht unentdeckt, die Knaben wurden vor Gericht gestellt und verurteilt, von dem Pixendorfer Berge soviel Erdreich in ihren Hütten zu holen und zum Orte ihrer Tat zu tragen, bis der Baum vollständig mit Erde bedeckt sein werde.

Wie sie sich nun mühten ihre Schuld zu büßen, wie sie mit ihren Puten voll Erde liefen, tage- wochenlang liefen – vergebens. Der Schweiß troff ihnen von der Stirne, Müdigkeit erschlaffte ihre Glieder, fast konnten sie nicht mehr. Und doch ragte der Baum noch hoch empor, fast schien es, als ob er wachsen wollte, die Knaben zu äffen. Aber sie durften nicht ruhen, nicht rasten, bis die Tat gesühnt. Einer nach dem anderem brach zusammen, ihr Antlitz wurde bleich und wandelnde Schatten gleich, schlichen sie nur noch dahin.

Da erbarmten sich ihren eigenen Bauern von Pixendorf und führten nachts heimlich Erdreich mit Wagen an die Stelle solange, bis auch nicht eine Zweigspitze sichtbar war. Ohne diese Hilfe wäre es den Knaben nie und nimmer gelungen.

Wie auf diesen Wiesen alles versinkt und verschwindet, was auf ihnen liegt und niemand weiß, wohin es gekommen ist, so geschah es auch mit diesem Hügel, der mit allem was sich verbirgt, in die Tiefe versank.

„Die Bewohner der Wiesen“

Wer in feuchtwarmen Nächten einen Blick auf die Wiesen wirft, gewahrt daselbst Lichtlein herumhuschen, bald hoch, bald tief, bald rechts, während dieses schnell zur Seite ausweicht und oft vereinigen sie sich zu einem größerem Lichte, das sich an die „feuerigen Männer“, die aus der Tiefe gestiegen um sich die Oberfläche zu ergötzen und wehe demjenigen Sterblichen der um diese Zeit die Wiese betritt. Neckisch tanzen sie vor ihr her, weichen ihm aus, folgen ihm wieder und treiben ihr böses Spiel mit ihm solange, bis sich seine Sinne verwirren und er ermattet nieder sinkt oder das aufsteigende Morgenrot ihm kündet, welche Richtung er einzuschlagen hat, um sein Ziel zu erreichen.

Wer aber ein recht gutes Auge hat, sieht in solchen Nächten nebelhafte Gestalten über die Wiesen hinschweben, bald sich fassend und im Reigen sich drehend, bald sich wieder loslassend, als wollten eineander die fliehen.

Das sind die „Elben“ oder „Elfen“, schöne, herrliche Mädchengestalten, gehüllt in zarte duftige Nebelschleier, die dem Schoße der Erde entstiegen um sich im Mondenlichte zu vergnügen. Aber noch niemanden ist es gelungen, sie in der Nähe zu sehen. Oder gar im Reigen mit ihnen sich zu drehen, denn sobald ein Sterblicher sich ihnen naht, sind sie auch schon dem Auge entschwunden und tauchen erst an entfernten Orten wieder auf.

Sie schweben so leicht dahin, daß ihr Fuß kaum den Boden berührt. Wenn aber im munteren Reigen doch eine oder die andere den Boden berührt, die herrlichsten „Raslinge“ auf und die Menschen, die diese so folgenden Tages sammeln, wundern sich nicht wenig, daß diese so schmackhaften Pilze immer in kreisrunden Ringen zu finden sind, weshalb diese Ringe auch Hexenkreise genannt werden und tatsächlich wächst in diesen Ringen saftiges üppiges Gras.

Nachwort des Abschreibers:

Von Mitte August bis Mitte Oktober 1992 habe ich die auf 154 Seiten in schönster Kurrentschrift geschriebenen „Beiträge zur Verfassung einer Heimatkunde von Pixendorf“ gesammelt vom Schulleiter Josef Fischer, Schulleiter von Pixendorf, angelegt im Jahre 1894 auf 122 Maschinschreibseiten, buchstabengetreu abgeschrieben.

Nur bei einzelnen Wörtern habe ich statt dem damals verwendeten C, das heute gebräuchliche K oder Z verwendet. Es war für mich eine hochinteresannte Arbeit die ich gerne gemacht habe. Schön wäre es, wenn die „Beiträge“ ihren Zweck erfüllen könnten.

Wenn ich durch meine Abschrift ebenfalls einen kleinen Beitrag dazu leisten konnte, so freue ich mich darüber. In unserer so schnelllebigen Zeit würde ein Blick in die Vergangenheit unserer Heimat manches mal von großen Nutzen sein.

St. Valentin im Oktober 1992, Friedrich Rienößl

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